Komplimente

Meine Baustelle

Nagel abgebrochen? Ab ins Nagelstudio!
Nagel abgebrochen? Ab ins Nagelstudio!

Gestern Abend die Katastrophe: der vor über einer Woche angeknackste Daumennagel bricht endgültig ab.

 

Dann heute früh in der U5: ein junger Mann setzt sich mir gegenüber. Nach einer Weile fixiert er mich für eine gefühlte Ewigkeit. "Was denn?" denke ich, er lächelt mich an, ich lächle gequält zurück.

"Darf ich Ihnen ein Kompliment machen?" fragt er mich. "Auch das noch," denke ich, "mach, aber mach's schnell." 

 

"Aber bitte." sage ich. Gottseidank sitzt niemand in der Nähe, der diese Peinlichkeit mitverfolgt.

 

"Sie sehen sehr gut aus. Der einzige Makel ist der abgebrochene Fingernagel." Puuuhh... raus aus der Bahn.

 

Warum kann ich mich über Komplimente von männlicher Seite nicht freuen, selbst wenn sie nicht von einem Betrunkenen mit vollgepisster Hose und offenem Hosenstall kommen, so wie mir das mal auf dem Bahnhof Berlin-Lichtenberg passiert ist?

 

Warum wechsle ich bei Deichmann oder im C & A lieber die Etage oder drehe noch drei Runden durch den Laden, wenn ein Kerl an der Kasse steht? Warum ekelt mich das so an, wenn "der" meine Schuhe oder Wäsche anfasst und eintütet?

 

Hat das etwas mit meiner Aversion gegen meine eigene männliche Unzulänglichkeit zu tun? Mit den markanten Gesichtszügen, den breiten Schultern und muskulösen Oberarmen? Den nicht vorhandenen Hüften, der Halbglatze, der wolligen Behaarung an Armen, Beinen, Brust, Bauch und Rücken? Meiner Stimme? 

 

Hasse ich nur das, was ich bin oder mich selbst?

 

Anders hingegen bei Lob von Frauenseite. "Sehr mutig! Weiter so!" aus Frauenmund baut mich so richtig auf. So geschehen zwei Tage vorher an fast gleicher Stelle. 

 

Ich muss noch an mir arbeiten...


Wenn unsere Gedanken negative Gefühle in uns auslösen, erklärt das die Kognitive Verhaltenstherapie mit dem ABC-Modell:

 

Activating Event

(Auslösende Ereignis)

Belief

(Einstellung, Haltung, Grundüberzeugung)

Consequences 

(Konsequenzen auf Gefühlsebene)

Consequences 

(Konsequenzen auf Verhaltensebene)

 

Die Kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass wenn wir unsere Grundüberzeugungen (Belief) ândern, sich auch unsere Gefühle (Consequences) auf ein bestimmtes Auslösendes Ereignis  (Activating Event) ändern lassen.

 

Übrtragen auf mein vorstehendes Erlebnis würde das so aussehen:

 

Kompliment von einem Mann

(Auslösendes Ereignis)

Männer wollen nur das Eine

(Grundüberzeugung)

Scham

(Konsequenz Gefühlsebene)

Flucht aus der U-Bahn

(Konsequenz Verhaltensebene)

 

Könnte Lena jetzt ihre Grundüberzeugung, das Männer immer nur das Eine wollen dahin gehend ändern (im Rahmen eines mehr oder weniger langen Lernprozesses), dass Komplimente von Männern durchaus ok sein können und von Fall zu Fall auch ohne Hintergedanken gemacht werden, würde sich das im Rahmen des ABC-Modells folgendermaßen darstellen:

 

Kompliment von einem Mann

Männer sind ok

(Vorsichtige) Freude

"Danke!"

 

Cool, oder? Jetzt muss ich nur noch lernen, dass Männer auch ok sein können. Ich hoffe, ich treffe genügend von der Sorte...


Buchtipp

Übungsbuch Kognitive Verhaltenstherapie für Dummies 

Rhena Branch, Rob Wilson

Taschenbuch, 384 Seiten

ISBN 978-3-527-70574-0